Mittwoch, 9. Oktober 2013

Von der Mathematik des Leids und der Freude.

Mathematik gehörte schon immer zu den Fächern, die mich weniger interessierten.
Im großen Zahlenmeer habe ich mich nur ungern über den geschützten Rahmen meiner 1x1-Insel gewagt und wenn, dann nur mit Taschenrechner und Formelsammlung: die mathematischen Schwimmflügel aller schiffbrüchigen des Zahlendampfers.

Mathematik ist knallhart. Lösungen sind richtig oder falsch. Einen Interpretationsspielraum gibt es nicht. Mathematik findet zudem immer Lösungen und wenn es nur die Feststellung ist, dass es keine Lösung gibt.
Mathematik ist fantasielos. Zahlen auf Papier sind und bleiben Zahlen auf Papier. Nicht mehr und nicht weniger. Metaebenen gibt es nicht.
Mathematik ist logisch und berechenbar. Es gibt keinen Ort für Überraschungen. Mit einem verhaltenen „Aha-Erlebnis“ muss man auskommen. Und selbst darauf warten viele ihr Leben lang vergebens…
Mathematik ist aufeinander aufbauend. Oder anders gesagt: Wer kein Fundament hat wird es niemals bis zum Dachstuhl schaffen. Es gibt keinen Ort für Spielereien, Träumereien oder freie Gestaltungsmöglichkeiten. Schluck die Formel oder lass es bleiben.

Doch dieser Blogeintrag soll keine Anklage an die Mathematik sein, sondern ein Bericht darüber, wie sich manchmal Situationen in Lebensformeln ausdrücken lassen – ein Bereich der Mathematik, der sogar mir gefällt… :-).

Als Teil einer Familie oder auch mit seiner selbst ausgesuchten Familie, seinen Freunden, kennt man das Phänomen, wie sich Probleme plötzlich viel leichter lösen lassen, wenn man sie mit jemandem teilt, darüber spricht, gemeinsam nach Lösungen sucht. So schwer manche Situationen erscheinen mögen und uns gebückt gehen lassen –  gemeinsam getragen kommt man zum Ziel.  

Dies ist etwas, das ich auch hier in meiner schwedischen Gastfamilie erleben darf und mir das Gefühl gibt, richtig angekommen zu sein. Meine Gastfamilie hat einen Hund, den Samojeden Timoti. Er ist seit 12 Jahren Teil der Familie und hat besonders meine Gastmutter Annika eine lange Wegstrecke über begleitet. Nun ist er jedoch alt und krank.
Die Tierärzte haben beschlossen, dass er eingeschläfert werden soll.

Dies war selbstverständlich eine traurige Nachricht für meine Gastfamilie. Auch Timoti selbst scheint zu spüren, dass er am Ende seines Weges angekommen ist und baut Tag für Tag mehr ab. Die Kinder spielen im Sandkasten Beerdigungen und spüren genau, dass etwas nicht in Ordnung ist. Es ist ja so schwer von einem geliebten Teil seines Lebens, ob Mensch oder Tier, Abschied zu nehmen! Auch ich, als inzwischen fester Bestandteil dieser Familie, kann diese Traurigkeit mitfühlen.
Wir haben gemeinsam geweint und dabei erleben können, dass dies einerseits eine noch tiefere, vertrautere Ebene im Miteinander schafft und sich andererseits die Traurigkeit verringert. Geteiltes Leid ist halbes Leid, weil plötzlich mehr da sind, die mit anpacken.

Freud und Leid liegen oft nah beieinander. Mit drei kleinen Mädchen erlebe ich zudem täglich Freude. Diese zu teilen – mit den Mädchen und den Eltern –  lässt sie noch größer und wundervoller werden.

Familie ist eine Einrichtung voller Wunder, ein Gefühl von Zusammengehörigkeit und uneingeforderter Anteilnahme und Nächstenliebe.

Wie schön dies auch hier spüren zu können!

Glück x Glück = Glück²
Leid x Leid = ½ Leid

Dies sind bereichernde und unglaublich kostbare Gewissheiten, die ich auch Dir/Euch, liebe Leserinnen und Leser, mit in Deine/Eure Lebenssituation geben möchte.
Macht etwas daraus und spürt, wie unbezahlbar menschliches Miteinander ist!



Dienstag, 8. Oktober 2013

Öland






Als ich zu Beginn des Semesters erfuhr, dass es eine Exkursion nach Öland geben würde, hatte ich zunächst gemischte Gefühle. 

Nur wenige Wochen zuvor hatte ich dort einen wunderschönen Urlaub mit meinen Liebsten verbracht. Wie würde es sein an einen Ort zurückzukehren, an den so viele wunderschöne Sommererinnerungen geknüpft sind? Wie würde es sein Öland als Teil meines neuen Alltags zu sehen, wo ich doch diese Insel in meinem Urlaubsordner abgespeichert hatte?

Ich habe den Ausflug sehr genossen, was sicherlich auch an dem wunderschönen Sonnenwetter lag. Etwas Wichtiges habe ich verstanden: All‘ meine Erinnerungen an die Familie und unbeschwerte Urlaubstage mit jeder Menge Albernheiten sind keineswegs an die Insel gebunden, sondern ich trage sie in meinem Herzen!

Während der Exkursion haben mich diese Erinnerungen getragen und gestärkt.

Nun ein paar Impressionen, die für sich selbst sprechen.

Wer gerne eine Hintergrundmusik möchte:

Draufklicken!






















Montag, 7. Oktober 2013

Von den zwei Lindas.


Hej, Hej ihr Lieben,

nach einer langen „Schreibpause“ folgt nun endlich wieder ein Bericht aus einem Land, in dem es offizielle Zimtschneckentage gibt und Klischees unausgesprochene Wahrheiten sind (Achtung! Schreibmarketing: Lest weiter es wird spannend!...).

Diese Pause ließ sich nicht vermeiden, da ich hier einen unheimlich abwechslungsreichen, erfüllten, vollen und spannenden Alltag erlebe. Der Spagat zwischen Familien-Linda und Uni-Linda, zwischen großer Schwester/ Zweitmama und Kommilitonin, Au-Pair und Studentin, Hilfe im Haushalt und wissenschaftlichem Arbeiten, die Grenzen meiner zwei Persönlichkeiten – dies ist eine Herausforderung der ich mich momentan stelle. Wo hört das eine auf und fängt das andere an? In welchem Verhältnis stehen diese zwei Lindas zueinander. Was ist mir selbst wichtiger?
In den knapp 11/2 Monaten die ich nun schon hier bin hatten „beide Lindas“ ihre Hürden zu nehmen. Da sich jedoch Windel wechseln, Wäsche legen, „Mamma-Pappa-Barn“-Spiele und umgeschüttete Milchgläser weniger elegant mit Worten ausschmücken lassen, möchte ich mich zunächst auf die Uni-Linda konzentrieren. 

Wie bereits in einem älteren Beitrag erwähnt belege ich hier einen Kurs, der sich über das gesamte Semester erstreckt und insgesamt vier Themenbereiche behandelt, die unter dem Oberbegriff „Tradition, Kultur und Identität in Schweden“ zusammengefasst werden. Jedes dieser Unterthemen wird vier Wochen behandelt und dann mit einer Klausur abgeschlossen. 1 1/2 Monate bin ich nun schon da, vier Wochen dauert ein Kurs – ja genau, den ersten der vier Kurse habe ich bereits abgeschlossen! :-)
 
Der erste Kurs hieß: „Die schwedische Landschaft: zeitliche und räumliche Perspektiven“, oder kurz gesagt: Archäologie und Geographie – noch einfacher: Steinhaufen abstauben und Karten lesen. Diese etwas abgefertigten Schlagworte dienen keineswegs dazu mein eigenes Desinteresse auszudrücken, sondern nur um die Themenstellung ein wenig ironisiert zu vereinfachen. Letzten Donnerstag (3/10), als ihr (oder die meisten) einen freien Tag mit Aussicht auf einen Brückenfreitag genossen habt, habe ich also eine 4-stündige Klausur über landschaftliche Veränderung in Schweden von der Eiszeit bis in die Gegenwart geschrieben. Auch wenn ich verstaubte Bücher vermoosten Hügelgräbern vorziehe, hat mich dieser Themenbereich dennoch sehr interessiert. Schließlich bin ich mit der Absicht hierhergekommen Schweden richtig kennenzulernen. Wie ist Schweden jenseits roter Häuschen, duftender Zimtschnecken, schmackhafter Köttbullar und flauschiger Elche? Ein Urlaub reicht kaum aus, um diese Klischees wegzukratzen und eine tiefer Ebene des Kennenlernens zu entdecken. Und wenn Steinhaufen zu dieser tieferen Schicht gehören, dann sind sie ein Bruchteil des Mosaiks (m)eines Schwedenbildes, welches sich hoffentlich im Verlauf meines Aufenthalts immer weiter ergänzen wird.
Im Rahmen dieses ersten Kurses habe ich zwei Exkursionen unternommen: eine nach Öland und eine nach Kalmar. Da sich Bilder und Worte gelegentlich im Weg stehen, lasse ich nun also die Impressionen sprechen. Auch dieses Mal empfehle ich dazu einen „Soundtrack“ – viel Spaß!

Beim nächsten Mal dann mehr von der anderen Linda – sie lässt übrigens lieb grüßen!

Vielen Dank für Euer/Dein Interesse!
Eure Uni-Linda